Mitunter höre ich in den Medien, dass so mache Länder ihre Verwaltung komplett digitalisiert haben. So soll es bspw. in den baltischen Staaten so laufen, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Angelegenheiten – wie Ausweise & Co – komplett via App abwickeln. Da sitze ich hierzulande dann mit dem geöffneten Mund staunend vor dem Gerät. Denn parallel holt mich die hiesige Verwaltung auf den Boden der Tatsachen zurück – es wird einem plastisch vor Augen geführt, was in Deutschland alles eben nicht geht. Warum, das weiß in vielen Fällen ganz sicher nur der wiehernde Amtsschimmel.
Zwei ganz reale Beispiele aus einer kleinen Ortschaft in der norddeutschen Tiefebene gefällig? Sehr gern! Zunächst einmal wäre da der Umstand zu nennen, dass die Amtsverwaltung gewisse Maßnahmen, die sie in Zeiten von Corona eingeführt hatte, nie wieder ad acta gelegt hat. Um seinerzeit die Zahl der Besucherinnen und Besucher im Amt zu begrenzen, wurde die elektronische Anmeldung eingeführt. Jahaaa … digital. Irre, was? Über die Website der Verwaltung wandert man also zu einem Buchungstool und holt sich einen Termin, bspw., wenn ein neuer Personalausweis nötig ist. Ernüchterung Nummer eins folgt auf dem Fuße: An den Vorlaufzeiten für Termine in der Verwaltung ändert ein modernes Tool nichts. Der erste mögliche Termin liegt … selbstverständlich … in Wochen, nicht in Tagen. So weit, so schlecht.

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass die hiesige Amtsverwaltung es während der Pandemie auf die Spitze trieb. Seinerzeit gab es am Eingang des Gebäudes noch kein digitales Terminal (das wurde zwischenzeitlich installiert). In der ersten Zeit nach der Einführung musste man damals, mit der Maske über dem Gesicht (wir erinnern uns lebhaft), vorne im Foyer einen ausgedruckten Zettel ausfüllen, der lediglich die Funktion hatte, anzuzeigen: „Ich bin jetzt da und zum Termin erschienen!“ Kein Witz. Leider. Diese Spitze des Eisbergs ist über den digitalen Check-in wieder von uns gegangen (schade, schade), aber dafür ist uns ja immerhin das maximal unflexible Prozedere der Terminbuchung erhalten geblieben.
Beispiel zwei ist daher auch nicht frei von mir erfunden, sondern befasst sich mit der tatsächlichen Problematik: Was mache ich denn, wenn Gefahr im Verzug ist und ich recht spontan einen vorläufigen Ausweis benötige? Es passiert also der Fall, dass ein Teenager kurz vor dem gebuchten Urlaub seine Ausweisdokumente verbummelt. Das soll in dem Alter schon einmal vorkommen, hörte ich. Darf es natürlich nicht … aber nun ja. Es ist wie es ist. Es ist also 2 Tage vor Urlaubsantritt und man versucht, über besagtes Online-Buchungstool einen Termin für die kurzfristige Ausstellung eines vorläufigen Ausweises zu bekommen. Immerhin gibt es ja vorläufige Dokumente, die seitens des Staates für derartige Fälle angeboten werden. Es wäre allerdings tollkühn zu hoffen, dass diese auch kurzfristig zur Verfügung stehen. Denn was passiert? Es scheitert natürlich am freien Termin! Der nächste freie Slot bei der Verwaltung liegt zeitlich schon längst in der geplanten Urlaubszeit. Ein Traum!
Es folgt der gute alte Griff zum Telefonhörer. Minuten der Ernüchterung später ist aber klar: Nein, die Verwaltung arbeitet diesbezüglich nicht flexibel. So einfach wird das nichts, man kann nicht plötzlich das System sprengen und unangemeldet vor der Tür stehen. Das geht so nicht! Aber es gäbe ja im Kreis auch noch kleinere Verwaltungen, die nicht mit digitaler Voranmeldung arbeiteten, dort könne man spontan versuchen, noch kurzfristig etwas zu werden. Really? Stille. Ich weiß nicht recht, was ich noch sagen soll.
Abschließend eine kurze Entwarnung rund um den Urlaub: Das verloren geglaubte Dokument fand sich kurz vor der Abreise tatsächlich an. Panik abgesagt! Die Ernüchterung zur hiesigen Verwaltung bleibt.
Starte trotzdem fröhlich in die neue Woche
Sascha